The Moran Family

Er grinste. Natürlich war Leo immer für seine Schwester da. Egal was passierte. Deswegen fand er es auch so schlimm, dass er heute nicht da gewesen war. "Natürlich nicht. Deshalb werde ich mit ihm reden." Er ging dann also aus dem Zimmer um mit seinem großen Bruder zu reden. Irgendwie befürchtete er, dass das Gespräch nicht so glimpflich ablaufen würde. Immerhin war es ja Sebastian... Ein Sniper und Auftragsmörder. Dass Joline aus dem Zimmer ging und ihnen dann später auch zuhörte, bekam er nicht mit. Dafür war Leo viel zu fixiert auf das was nun geschah. Er war nervös. Auch Sebastians Gesichtsausdruck machte das alles nicht viel besser. "Seb..." Also setzte er sich wirklich neben ihn. Leo schüttelte leicht den Kopf. "Nein.. ich wollte mit dir über das reden... das vorhin."

Joline wusste dass es sie eigentlich nichts anging, aber es sagte ihr auch keiner etwas und dies war wahrscheinlich die einzige Möglichkeit an ein paar Informationen heranzukommen. Kurz hielt sie sich das Kühlpack an die Wange und dann an die andere. Dabei unterdrückte sie ein Zischen. Immerhin sollte ja niemand wissen, dass sie hier zuhörte. Sollte es doch einmal herauskommen, dann hatte sie ein großes Problem. Jetzt würde sie endlich herausfinden, was Sebastin belastete und vielleicht fand sie dadurch auch eine Möglichkeit ihr zu helfen. Wer wusste dass denn schon? Ihr Handy war auf stumm und mit Vibration. Hoffentlich rief sie jetzt niemand an. Sonst wäre Seb nicht das einzige Problem was sie hätte.

Sebastian musterte ihn und folgte ihm mit dem Blick, als er sich setzte. "Ich auch." er wollte seufzen um ein bisschen Menschlichkeit zu zeigen, aber es klappte nichts, also sah er auf seine Hände. "Hast dus Joline erzählt?" Das musste er fragen. Er ließ Leo Zeit mit dem Antworten, dann stellte er die nächste Frage. Allerdings schaffte der Mann es nicht, seinen kleinen Bruder anzusehen. Er hatte Angst Abneigung zu sehen. Er könnte es Leo nicht verdenken, aber er hatte seinen kleinen Geschwister doch so lieb und wollte sie nicht verlieren. Auch wenn er oft so sarkastisch war, sie waren doch letztendlich die letzten, die er hatte.
Sebastian holte tief Luft um Mut zu schöpfen. "Was denkst du jetzt?" Er sah kurz auf, zu seinem Bruder, dann geradeaus. "Von mir."

"Nein habe ich nicht." Das war die Wahrheit. Er wollte das gelesene mit seinem großen Bruder besprechen. Es hatte schon seinen Grund, warum er es ihnen verheimlicht hatte. Jetzt verstand Leo das auch. Nur war das vielleicht etwas zu spät. Leo sah Sebastian einen Moement an, aber dieser sah seinen Bruder nicht an, also wand auch Leo seinen Blick ab. "Ich.. du bist immernoch mein Bruder. Das kann und will ich nicht rückgängig machen." Leo überlegte wie er es sagen sollte, ohne Sebastin zu verletzen. "Aber ich dachte nicht dass du... also... dass dein Job so aussieht." Irgendwie war es auch gruselig. Sebastian war ein Mörder. Aber auch das würde nichts ändern, sie waren eine Familie und würden es auch immer sein. "Es tut mir leid, dass ich dein Handy hatte. Ich wollte eigentlich nur endlich wissen, was dich beschäftigt. Du redest ja kaum mit mit oder Joline über deine Gedanken und Gefühle... jetzt weiß ich warum."

Noch immer stand Joline vor der Tür und lauschte dem Gespräch. Sie fragte sich jetzt wirklich, was denn Sebastians Job war. Gut hörte es sich jedenfalls nicht an. Leo hatte es herausgefunden, weil er nachgesehen hatte, aber Joline war außen vor und bekam überhaupt keine Antwort auf irgend etwas und sie wollte nicht dass ihr großer Bruder sie so behandelt als würde er sie nicht lieben. Dieses Gefühl vermittelte er nämlich. Zwar gab sie sich immer von Außen stark, aber es verletzte sie jedes Mal aufs Neue. Ob sie morgen doch in die Schule gehen soll? Es würde doch eh keinen kümmern wenn es wirklich so wäre oder? Unbewusst wippte sie leicht hin und her. Langsam zog sie sich in ihr Zimmer zurück, weil ihr langweilig war. Sie setzte sich aufs Bett, zog die Beine an und dachte über manche Dinge nach. In diesem Zustand konnte man sie ansprechen, aber sie würde nicht reagieren. Leo kannte diesen nicht von ihr und Sebastian auch nicht. Den legte sie eigentlich nur am Grab ihrer Eltern auf. Immer wieder fragte sie sich was denn dafür gesorgt hatte, dass sie nicht mehr eine Familie waren? Sie leben ja alle nur noch aneinander vorbei. Sicher. Sie lebten körperlich zusammen, aber das hatte gar Nichts zu bedeuten. Kurz holte sie Handy raus, steckte sich die Kopfhörer ins Ohr und schloss die Augen. Sie hörte Twinkle Twinkle Little Star. Ihre Mutter hatte es ihr früher immer vorgesungen, als sie noch gar klein war.

Sebastian nickte auf Leos Antwort. Das war gut, wirklich gut. "Danke." Dann schwieg er wieder, den Blick gesenkt. Erst als er wieder redete schaffte sein großer Bruder es, den Blick ein bisschen zu heben, nicht um ihn anzusehen, er sah immer noch etwas an ihm vorbei. Sebastian musste sogar fast lächeln, als Leo einen Kommentar über seine Arbeit abgab, auch wenn es ein entschuldigendes Lächeln war. "Ist nicht sehr gewöhnlich, stimmt schon." murmelte er dann und wandte seinen Blick zu Leo, als er sich entschuldigte. "Ihr wolltet was?" Seb lachte kurz, aber nicht glücklich. "Ihr müsst euch nicht um mich kümmern, verdammter Scheißdreck." Aber er meinte es nicht böse, es amüsierte ihn. "Ich komm auf den ganzen Scheiß schon allein klar."
Immerhin hatte er diesen Weg für sich gewählt und hatte auch über die Folgen bescheid gewusst.
Aber er senkte schon bald wieder den Blick und kam zurück auf die Arbeit. "Hör mal, Leo, ich... Hab einfach keinen anderen Weg, Geld zu verdienen. Und ohne Geld kann ich euch nicht versorgen und wenn ich das nicht kann..." Dann kam jemand und nahm sie ihm weg. "Es gibt auch kein Zurück mehr, ich muss das leider durchziehen..."

Sebastian bedankte sich und Leo lächelte leicht während er nickte. Für ihn doch immer, immerhin war es sein Bruder. "Nein. Alles andere als gewöhnlich." Aber dann lachte Seb und Leo sah ihn verwirrt an. "Wir sind eine Familie. Ich stehe zu dir, egal was passiert. Auch wenn du Menschen getötet hast, du bist und warst schon immer mein Vorbild. Jetzt wollten wir für dich da sein, weil du immer so schlechtgelaunt bist." Wobei er ja jetzt nicht wirklich Menschen töten wollte wie sein Bruder. Aber er hoffte, dass Sebastian wusste, was er meinte. "Du kannst mit keinem darüber reden.. aber jetzt schon. Ich weiß jetzt bescheid... wenn du reden willst... ich bin da." War das so gut ausgedrückt? Leo wollte seinem Bruder ja helfen. Es war schon immer seine Stärke gewesen, empathisch zu sein und anderen Stärke zu geben. Allein durch seine Anwesenheit, wenn sie sich aussprechen wollten. "Ja ich weiß... und du bist wohl sehr gut darin. Dein Auftragsgeber ist wohl mit dir zufrieden... aber was ist, wenn er nicht mehr zufrieden ist? Was ist wenn dir etwas passiert?" Leo sah seinen Bruder diesmal Fest an und zeigte offen seine Angst.

Mittlerweile lag sie auf dem Bett und hatte sich eingerollt. Die Musik hatte sie auf die höchste Stufe gedreht und ihre Ohren taten ihn schon weh, aber sie kam sich gerade so verlassen und alleine vor. Leo bemühte sich zwar immer Joline mit einzubeziehen, aber dennoch blieb ihr das Gefühl. Sie hatte es noch nie leicht gehabt bei so vielen Männern. Jetzt wo ihre Mutter dann auch noch gegangen war, war sie am Tiefpunkt, ,aber sie kam so wirklich nicht rüber. Wenigstens einmal wollte sie, dass Leo und Sebastian ihre Eltern am Grab besuchen gehen mit ihr. Dann wäre die Familie noch ein letztes Mal vereint. Mehr wollte sie doch gar nicht, wenn sie schon ihre Familie nicht zurück bekommt. Bei den Gedanken an den Unfall kamen ihr die Tränen und sie verkroch sich unter die Bettdecke und drückte das Kissen an ihr Gesicht um Geräusche zu unterdrücken beziehungsweise einzudämmen.

Sebastian musterte seinen Bruder fest als er das sagte. "Sieh zu, dass du dir einen besseren Beruf beschaffst." sagte er dann etwas rau, schüttelte dann aber leicht den Kopf um zu zeigen, dass der Tonfall nicht so beabsichtigt gewesen war. Er sah seinen kleinen Bruder dann an, presste die Lippen aufeinander und nickte schließlich. "Danke Leo. Aber ich komme damit zurecht. Ich habe weitaus schlimmeres gesehen." Wenn Leo schon wusste, dass er Leute umlegte musste er wenigstens nicht wissen, wie er sie tötete. Vielleicht nicht grausamer als im Krieg, aber geplanter. Dementsprechend vielleicht doch grausamer.
Seb sah seinen kleinen Bruder an als er seine Sorgen äußerte und senkte dann den Blick. Er wollte etwas sagen, schloss den Mund dann aber wieder. "Ich weiß es nicht." log er. "Ich versuche einfach zu verhindern, es herauszufinden." Der Scharfschütze sah seinen kleinen Bruder an und versuchte, sich ein Lächeln abzuringen. Dann wuschelte er ihm durch die Haare. "Ich steh das durch." Sein Gesicht wurde dann aber wieder ernst. "Soweit ich auf dein Schweigen vertrauen kann." Er musterte ihn jetzt fest. "Sobald die Polizei davon erfährt bin ich geliefert. Ich und die Menschen, die mir am Herzen liegen."

Leo nichte auf Sebastians Satz. Einen besseren Job... Natürlich. Er lächelte leicht "Dann muss ich aber erst die Schule machen." Das war ja auch schon problematisch. Allein weil Leo so viele Probleme in der Schule machte. Er war ja nicht dumm, seine Noten waren gut. Aber Streiche lagen ihm besser. Sie lenkten ihn von den Dingen ab, die den Teenager beschäftigten. Er fragte sich wie seine Schwester mit dem Unfall klargekommen ist. Leo und Joline waren ja mit dabei gewesen, als das Flugzeug abstürzte und ihre Eltern umkamen. Vor 2 Jahren war ihr Leben noch anders. Sebastian holte ihn aus seinen Gedanken. "Okay... ich bin trotzdem da. Nur dass du es weißt. Außerdem sind wir garnicht so verschieden. Vielleicht sollte ich ja auch in das Militär gehen. Schießen kann ich jedenfalls." Er hatte gar nicht genauer über diesen Satz nachgedacht. Demnach war er auch nicht auf Sebastians Reaktion gefasst. Auf Leos Angst, was Sebastians Arbeitsgeber wohl bei einer Enttäuschung tat, versuchte Seb seinem kleinen Bruder die Angst etwas zu nehmen. Leo nickte nur. Seb wuschelte ihm durch die Haare und Leo lächelte sofort wieder. Das hatte sein Bruder lange nicht mehr getan und es freute ihn gerade sehr. "Natürlich. Habe ich mir gedacht. Ich werde nichts sagen, ich schwöre es dir." Der Teenager erhob sich dann und umarmte Sebby. "Gute Nacht. Ich gehe wieder zu Joline, sie wartet sicher auf mich." Aber noch ging er nicht. Er wartete auf Sebastians Reaktion.

Irgendwann hatte sie sich beruhigt und ihr Kissen wieder an die ursprüngliche Position gebracht. Dann stand sie auf und verschwand ins Badezimmer. Dort tat sie so als würde sie duschen und drehte das Wasser an. Dann wusch sie sich und legte alles beiseite. Irgendwann drehte sie das Wasser ab. Der Unfall verschwand nicht aus ihren Gedanken. Wie Leo wohl damit umgegangen war, fragte sie sich schon etwas. Immerhin ist es auch an ihm nicht vorbei gegangen. Sie seufzte und bürstete sich die Haare. Bei all ihren Handlungen hatte sie vergessen ihr Bett herzurichten. Es sah so aus, wie wo sie es verlassen hatte. Ihr Handy lag mit den Kopfhörern auf diesen und man hatte das Gefühl, dass sie schnell vor irgendetwas geflüchtet ist. In diesem Fall vor den Erinnerungen vor zwei Jahren und sie wollte auch nicht, dass Leo sie so sah. Sebastian war ihr in der Hinsicht egal, aber nicht ihr kleiner Bruder. Sie kam dann irgendwann aus dem Bad und fragte sich worüber ihre Brüder die ganze Zeit sprachen. Schien ja was wichtiges zu sein. Sie klopfte an die Tür und trat ein. Konnte ja sein Leo machte irgendwas.

"Mach das. Und meld dich, wenn du Hilfe brauchst. In Englisch bin ich nicht gut, aber bei dem einen oder anderen sollte ich dir helfen können." Oder auch Joline. Aber niemand redete mit ihm. Eigentlich traurig, dass Seb das verstehen konnte. Er sah seinen Bruder an, als er einen Vorschlag für seinen Beruf äußerte. "Mach das nicht. Viele verkraften nicht, was sie da sehen." Wenn er daran dachte, wie nett und lieb sein Bruder war... Das würde Leo nicht verkraften können. Er selbst verkraftete es ja auch nicht. Nur dass er sich keinen Psychiater suchte, sondern das Gesehene Leid und den Schmerz anders kompensierte. Sebastian kniff allerdings leicht die Augen zusammen, als er verstand, was sein Bruder gesagt hatte. "Du kannst was?" fragte er nach. "Schießen?" Sein Kiefer bewegte sich mahlend. "Wie kommst du zu der Annahme?" Seine Augen blitzten als Leo aufstand und sich verabschieden wollte, er stand also auf und wollte zu ihm hingehen, da klopfte es, und Joline trat ein. Sebastian sah sie an und er entspannte sich langsam. War vielleicht kein guter Eindruck, jetzt. "Joline, was ist?" Er sagte es nicht böse, aber es lag ein gewisser Unterton in seiner Stimme.

Leo hatte während dem Gespräch mit Sebastian Wasser laufen hören. Joline musste wohl duschen. Doch sie redeten weiter, dann stoppte das Rauschen des Wassers. Wie lange saßen sie denn hier? Das Zeitgefühl des Teenagers war völlig verwirrt. "Danke. Ich glaube in Mathe wäre es nicht schlecht, wenn du mal drüber schaust. Aber nicht jetzt." Bei Leos Idee mit dem Militär schien Sebastian fast angespannter zu sein. Oder sah das nur Leo so? "Mal sehen. Habe mir noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht." Aber davon hatte er gehört. Viele Kriegsveteranen, die dann psychisch erkrankten als sie nachhause kamen. Erst jetzt registrierte Leo, was er eben gesagt hatte. Dass er schießen konnte. Oh nein... wieso?! Natürlich ging Sebastian darauf ein. Aber Leo hatte keine Zeit um zu antworten, da Joline in den Raum kam. Der Teenager grinste etwas und sah sie an. Perfektes Timing! Denn eben war Sebby sogar aufgestanden. "Hey. Ich dachte du schläfst schon." Welch ein Glück, dass sie da war. Danke Schwesterlein.

Joline musste nun wirklich überlegen. Eigentlich war es nicht so geplant gewesen, aber irgendwie hatten sie ihre Füße hier her getragen. Sie lächelte schwach und sah dann zu Leo. " Nein. Ich konnte nicht schlafen. Zu viele Dinge sind mi im Kopf herum gegeistert. Ich hoffe, das ich euch nicht gestört habe. Immerhin habe ich das Kühlpack gefunden. Es war gar nicht weit von dem geplanten Ort entfernt. Wollen wir dann nachher weiter über das eine Thema sprechen? Mir liegt das nämlich sehr am Herzen!" Sie meinte damit den Geburtstag von Sebastian und hoffte wirklich sehr, dass Leo wusste worauf sie anspielte. Außerdem hoffte sie wirklich sehr, dass keiner von ihren beiden Brüdern, auf die Idee kommen könnte, dass sie in tiefer Trauer ist und geweint hatte. Ob man ihr die roten Augen abkauft, weil sie duschen war? Sie musste es einfach mal versuchen. " Ich hab in der Wirtschaftsarbeit eine 3- geschrieben Leo. Das ist besser als ich gedacht habe! " Jolines Noten waren durchwachsen. Sebastian wusste nicht wirklich was davon, weil sie auch nicht so viel plauderte. Normalerweise war sie in Wirtschaft nie schlechter als 2 gewesen. " Ich habe euch doch nicht gestört oder? Wenn ja dann tut es mir Leid!" Kurz sah sie zu Sebastian und lächelte aufmunternd. Da wollte sie es noch einmal versuchen. Vielleicht war er ja jetzt nicht so wie er immer war.

Sebastian verschränkte die Arme und reckte das Kinn während sie sprach, sagte aber nichts. Auch auf ihre Note nicht, obwohl er da kurz die Lippen spitzte. Warum erzählte Joline es Leo, wenn er seine Unterschrift darunter setzen musste?
"Nein, du hast nicht gestört." Er lächelte, aber es war kein glückliches Lächeln. Es war weit davon entfernt, glücklich zu sein. Seb wandte seinen Blick dann auf den jüngsten Moran. "Wir reden morgen nochmal." Dann sah er wieder seine Schwester an und löste einen Arm um Joline demonstrativ seine Augen zu zeigen. "Sieh zu, dass du anderes Shampoo bekommst, scheint als würdest du das Jetzige nicht so gut vertragen."
Damit musterte er sie wieder beide. "Gute Nacht." Er hatte eigentlich noch zu ihnen kommen wollen, aber da beide nun bei ihm waren schien sich das ja erledigt zu haben.